dis order – Prolog

Olaf Nicolai: Yeux de paon

Die Augenform ist eines der ersten optischen Schemata, das wir in unserem Leben erkennen lernen. Die „Pfauenaugen“ des Vorhangs Yeux de paon von Olaf Nicolai verweisen jedoch nicht nur auf das Sehen, sondern auch auf vielfältige andere Deutungen. Der Künstler regt zum Nachdenken über unsere Wahrnehmung und dem Einsatz von optischen Mustern an. Das Pfauenaugenmuster verwendete er 2004 zum ersten Mal in der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig. Seine farbige Wandmalerei nimmt Bezug auf ein eigentümliches Keramik-Muster aus Bulgarien, die in kaum einem Haushalt des Ostblocks fehlten. Bulgarien hatte im arbeitsteiligen Wirtschaftssystem des Ostblocks keine Rohstoffe anzubieten und konzentrierte sich daher auf die Entwicklung von Massentourismus an der Schwarzmeerküste. Als neues Souvenir-Produkt wurde eine Tonkeramik mit Pfauenmuster entwickelt, die mit der Zeit Teil der Identität des Landes wurde.

Das Muster entsteht auf der Keramik durch das punktuelle Verwischen von Lasurlinien, ähnlich dem Effekt des Marmorierens. So wird eine merkwürdige Mischung aus massentauglicher Herstellung, Volkskunst und moderner Gestaltung erzeugt. Nicolai interessiert sich dafür, wie moderne Ökonomien scheinbar prämoderne Formen für ihre Zwecke adaptieren. Einerseits sollten die Staaten des Ostblocks modernisiert werden, in Bulgarien etwa durch modernistische Hotelbauten, andererseits sollte den Arbeitern und Bauern in ihrer Freizeit Folklore geboten werden.

Olaf Nicolai lies dieses Keramik-Muster drei Jahre später in Schwarz-Weiss-Grau von der Seidenweberei Eschke bei Chemnitz weben, wo er aufgewachsen ist. Der Vorhang besteht aus mehreren zusammengenähten Bahnen des Stoffes, wobei jede Wiederholung das Muster leicht variiert und damit dem Standard der industriellen Textilproduktion widerspricht. Er kombinierte die Vorhänge in unterschiedlichen Kontexten mit anderen Elementen wie in der Installationen The peacock with his long train appears more like a dandy than a warrior, but he sometimes engages in fierce contests (siehe Abb.), die erstmals in der Kunsthalle Münster gezeigt wurde. Das Titelzitat von Charles Darwin verweist auf seine These der sexuellen Selektion, die bei Tieren wie dem Pfau nicht auf dem Erfolg des Stärksten basiert, sondern auf Imponierverhalten durch „Schönheit“. Dabei sind die Federn des Pfaus eigentlich grau, da sie keine Pigmente enthalten. In kleinen Luftkammern in den Federn bricht sich das Licht und führt zu der farbigen Reflexion.

Teil der Installation Yeux de paon sind farbige Hefte in Irisdruck, eine Technik, die in den 1970er Jahren oft für Flyer von Veranstaltungen der Gegenkultur verwendet wurde. Durch das Auftragen von mehreren Streifen der drei Grundfarben Yellow, Magenta und Cyan auf die Druckwalze wird die Vermischung der Farben von Druck zu Druck immer stärker, jedes Blatt wird ein Unikat. Die Hefte darf der Besucher selbst in die Hand nehmen und durchblättern. In seinem Essay Show Case in dem Buch Rewind forward (2003) beschrieb Nicolai die Konsequenz des Sehens: „Fragen nach Formen, Stimmungen, Attitüden und Stil sind kein luxuriöses Spiel mit Oberflächen. Sie sind Fragen nach Organisationsformen von Handlungen …“

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Olaf Nicolai, The peacock with his long train appears more like a dandy than a warrior, but sometimes engages in fierce contests

Olaf Nicolai
The peacock with his long train appears more like a dandy than a warrior, but sometimes engages in fierce contests
Ausstellungsansicht Kunsthalle Münster, 2012
7 Vorhänge, Baumwolle und Seide, je 305/335 x 810 cm
courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin
Foto: Thomas Wrede